Integration und Asyl: Non fulfilling Prophecy

Sprechen wir von Integration, denken viele an Fremde, oft muslimische, oft dunkelhäutige Ausländer.

Diese wollen sich scheinbar nicht den guten Sitten im besten Land der Welt – Österreich – anpassen. Sie könnten es nicht, stammen sie doch einer anderen Kultur ab, die mit unseren marktwirtschaftlichen, liberalen Idealen einfach nicht kompatibel sei. „Man muss die Demokratie und unsere Werte schrittweise lernen, die Menschenrechte und natürlich Deutsch“, sagen die einen, „unterlegen, unterentwickelt, rückständig und primitiv sind sie“, denken dieselben.

Integrationsunwillig sind also vor allem jene Menschen, die in diesem Land der Gütigen  mit offenen Armen empfangen würden. Die Integrationsunwilligen brüten unterdessen über dunkle Pläne, in dunklen Zimmern, mit dunklen Augen. Es scheint als wollten sie dieses unbefleckte, weiße, reine Land islamisieren. Herunterreißen die Kreuze in den Schulen und auf den Türmen der Kirchen, die in rechtschaffenen Gemeinden stehen, gebadet im winterlichen Weiß österreichischer Kulturlandschaften.

So lautet zumindest das Attest aller Aufdecker und Beschützer der Nation. Von den Schließern der Balkanrouten bis zu den Aufdeckern der Doppelstaatsbürgerschaften, deren anständige Arbeit in Österreichs Qualitätsmedienlandschaft unters Volk gebracht wird.

Alle, die nicht willig sind sich zu integrieren, werden zum Problem: Zur sicherheitspolitischen Herausforderung, zur potenziellen Bedrohung, zu einer unsichtbaren Gefahr Mitten im Herzen Europas.

Die Politik reagiert auf diese Herausforderung:

Sicherheitspolitisches Vorgehen, tausende Polizisten mehr auf Österreichs Straßen, „präventive“ Überwachung aller, die Konzentration der Bedrohung in einem alles überschaubaren Panoptikum. Und Abschiebungen am laufenden Band, auch der besten und der kleinsten.

***

Wir können in Österreich puncto Integration eine „Non Fulfilling Prophecy“  beobachten:

Einerseits ist es Integration, die als ultimative Bringschuld dargestellt wird. Eine Bringschuld, die sich jedoch nur schwerlich – oder nie – erfüllen lässt, denn: MuslimInnen, AsylwerberInnen oder schlichtweg Ausländer können sich nicht in eine Gesellschaft integrieren, deren Ziel die Vernichtung von Vielfalt ist: Auch wenn oft die Rede von Integration von Asylsuchenden ist: Man meint eigentlich Assimilation an eine „Leitkultur“, die den Anderen systematisch ausgrenzt. (Kritische Stimmen mögen hinzufügen, dass sich zahlreiche politische Proponenten dieser Leitkultur als besonders „deutsch“ oder dem „deutschen Kulturkreis“ zugehörig fühlen.)

Andererseits scheinen Politik, Institutionen und Medien alles zu tun, um Integration zu verhindern:

  • Die Konzentration von Asylsuchenden in Massenquartieren inklusive Ausgehverboten etc. Diese verkörpern nicht nur ein Verständnis von „Asyl auf Zeit“, sondern verhindern Integration im eigentlichen Sinne.
  • Die Entmenschlichung von Asylsuchenden in einer Gesellschaft, die sich über Besitz definiert: Beschlagnahmung von privaten Gegenständen, strukturelle Verhinderung von Integration in den Arbeitsmarkt und letztlich ein völlig entwürdigender Umgang mit Sozialleistungen gegenüber Asylsuchenden. Hier werden Sachleistungen den Geldleistungen vorgezogen, als hätte man es mit einem Unmündigen zu tun.
  • Hinzu tritt eine groteske Abschiebepraxis, die selbst ExpertInnen auf diesem Gebiet mit Ratlosigkeit zurücklässt. Hier herrschen Verfügungsgewalt und Willkür gegenüber Menschen, die an Franz Kafkas „Prozess“ erinnern.
  • Vor allem aber heizen alle im Parlament vertretenen Parteien Ressentiments und Hass gegenüber Ausländern und Fremden an, insbesondere gegenüber Asylsuchenden und MuslimInnen. Dieses Anheizen fruchtet, der Hass gedeiht. Zahlreiche Medien begleiten diesen Tenor, auch linksliberale und bürgerliche „Qualitätszeitungen“.

Teile dessen bezeichnet die Sozialpädagogin Vicki Täubig als „organisierte Desintegration“. Diese Liste ließe sich überdies beliebig fortsetzen, könnte ergänzt werden durch eine ebenso verheerende EU-Politik im Bereich Migration, Asyl, aber auch Soziales. Ebenso wie um die Frage, welche Rolle die deutsche Sprache hier spielen kann und soll, das bevormundende „Islamgesetz“ u.v.m.

Alles in allem ist das nicht nur schädlich für Integration, sondern verhindert sie. Sofern man darunter nicht assimilierende Zwangsmaßnahmen versteht, sondern Dialog und sozialen Zusammenhalt in einer Gesellschaft, die immer mehr nach unten und zur Seite tritt statt nach oben.

Die Asyl- und Integrationspolitik der Regierung wird indes zur „Non fulfilling prophecy“: Einerseits fordern alle mantrahaft Integration von Ausländern, besonders MuslimInnen. Andererseits wird offenbar alles getan, um genau das zur Unmöglichkeit zu machen.

Ob es sich dabei um politisches Kalkül handelt – es ist für viele förderlich, auch in fünf Jahren noch von Parallelgesellschaften und Balkanrouten zu sinnieren – oder um schlichte Unfähigkeit, bleibt offen.


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