Götzendämmerung

Das Spektakel des Mr. Kurz

Am Sonntag brechen die Granden der Österreichischen Volkspartei zu einer Zusammenkunft auf, die ihren Retter küren wird. Viele hochrangige Konservative Österreichs dürften den sonntäglichen Kirchgang oder den „Brunch“ ausgelassen haben – ob der schlaflosen Nächte oder ob der Bedeutsamkeit, die der Stammesrat mit sich bringt.

Die ÖVP befindet sich vor dem Abstieg in die politische Bedeutungslosigkeit. Ihr Retter heißt Sebastian Kurz, in der vom Katholizismus geprägten ÖVP kommt er dem Messias gleich. Der junge dynamische und eloquente Mann ist für viele das menschgewordene „Last Resort“ der Konservativen. Kurz weiß das. Und Kurz weiß auch, dass die Sterne günstig stehen für einen Wandel, der ihn zum absoluten Alleinherrscher in der ÖVP macht. Beachtlich ist, dass alles das, was Kurz verkörpern möchte, ein medial ausgezeichnet inszeniertes Spektakel darstellt: Im Angesicht der Katastrophe, als das schwarze Schiff zu sinken droht, erhebt sich der junge Ruderer empor und reißt das Steuer an sich. Im Äther verhallt, dass Kurz höchst selbst der Regisseur dieser Krise ist.

Gerade in Sachen Dynamik kann sich Kurz nichts vorwerfen lassen. Er ist ein schwarzes Fähnlein im Wind: Anfangs als „Europäer“ und als Integrationsstaatsekretär gefeiert, verwandelte er sich binnen kurzer Zeit zu einem Hardliner mit kulturkämpferischem Verve, der irgendwo zwischen ständischem Heimatdünkel und bürgerlicher Privilegiensicherung seine Klientel bedient.

Dem jungen Dynamiker ist die ÖVP auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Diese junge, profillose, postdemokratische Dynamik zeichnet den 30-Jährigen als „Nachwuchshoffnung“ aus. Er hat verstanden, dass es längst nicht mehr um „Inhalte“ geht, sondern darum von „Inhalten“ zu reden. Und zwar von jenen, die bei den Wählerinnen und Wählern gerade im Kurs stehen. Selbst den autoritären Schwenk wird der Dynamiker Kurz zu inszenieren wissen, als notwendige Reform, um der Arbeit willen natürlich. Gerade in Zeiten, wo sich „das Volk“ ohnehin einen „starken Mann“ zu wünschen scheint, wird der Schwung zum konservativen Autoritarismus in der ÖVP ein marketing-technischer Selbstläufer. (Und angesichts des ÖVP-Stammklientels wird es ihm auch leichter fallen wie den Grünen, die sich jüngst ebenso autoritär gaben.)

Apropos Marketing: Die heutige Politik dieses Spektakels funktioniert wie eine Werbeagentur. Die „Marke Kurz“ wird sich verkaufen. Sie wird sich als hemdsärmelig geben, Kurz ist der junge dynamische Macher, der tatsächlich arbeitet und nicht nur von Arbeitenden spricht. Die Marke Kurz wird Ordnung im Chaos stiften. Endlich. Vergessen wird die perfide machtstrategische Aktion, deren durchdachtes Kalkül weit entfernt von der sachlichen, vernünftigen Politik ist, die sich die ÖVP gerne an die Fahnen heftet. (Wie sachlich und wie vernünftig diese ist, belegt die Regierungsarbeit der „Schwarzen“ seit Jahrzehnten.)

Soweit nichts Neues in der Postdemokratie: Sebastian Kurz ist nicht die Ausnahme, sondern lediglich die neueste Zuchtform eines Politikbetriebs, der nur mehr ein Trugbild politischer Programmatik ist: inhaltsleer, Phrasen dreschend, nachfrageorientiert – Kurz: Postdemokratisch. Und Sebastian Kurz weiß auf der Klaviatur der Postdemokratie zu spielen, die Medien spielen mit: Während Liberale die Putins und Orbans der Welt als autoritär brandmarken, hängen sie Kurz an den Lippen. Linke Politik wiederum, besonders wenn es um EU-Kritik geht, wird zudem als zerstörerisch und gefährlich bezeichnet. Konservative Karrieristen auf dem Weg zum Autoritarismus stellen offenbar kein derart großes Problem für den liberalen Mainstream dar, wie eine Politik, die sozial verheerende EU-Agenden anprangert.

Die kommenden Neuwahlen versprechen also ein weiteres Spektakel von allen Parteien, gerahmt von den Medien, ge-framed von den Spinndoktoren und PR-Agenturen. Wir werden den Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Dandymännern und Abendland-Verteidigern, zwischen Anständigen und Moralisierer_innen hautnah erleben, Kino-Stimmung garantiert. Unsere Gesellschaft darf sich auf ein weiteres Spektakel freuen, das vom Anbruch des Faschismus ebenso mahnen wird, wie sie ihre Helden und Antihelden kürt.

Sebsatian Kurz, der dynamische Postdemokrat, hat sich als Protagonist in Stellung gebracht.


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